Er war Hochschullehrer, irakischer Minister für
Industrie und Vizepremierminister des Irak bis 2003.
Die internationale "Diplomatie" führte ihn auch in offizieller Mission immer wieder nach Deutschland.
Sehr geehrte Damen und Herren,
warum ich mich engagiere?
Mir gefällt, dass für diese Organisation ausnahmslos alle Mandats- und Amtsträger ehrenamtlich tätig sind!
Das Leben bekommt dadurch eine ganz andere Intensität! Deshalb engagiere ich mich, weil ich gern ein Ehrenamt ausführe!
Ein Ehrenamt macht reich an Erfahrungen. Erfahrungen, die ich ansonsten wahrscheinlich nicht gemacht
hätte! Ein Ehrenamt bringt außerdem Freude, die ich sonst möglicherweise nicht erlebt hätte! Ein Ehrenamt
fördert das Verständnis, das ich sonst vielleicht nicht aufgebracht hätte und es schafft Kontakte, die ich
sonst vielleicht nicht geknüpft hätte!
Grundsätzlich bin ich der Meinung: ein Ehrenamt beschert
uns ein Stück Lebenserfahrung, die man sonst eher nicht gesammelt hätte und ein Ehrenamt macht Mut, beispielsweise
auch Dinge anzugehen, die man sonst womöglich gar nicht angepackt hätte!
Zur Bedeutung von "Ehre" und "Amt"!
In dem geschichtlichen Augenblick, in dem sich ein christliches Europa bildete, differenzierte es sich sogleich in das
spannungsvolle Gegeneinander zwischen Byzanz und Rom, zwischen Morgenland und Abendland, zwischen Orient und Okzident. Bei
einer historischen Betrachtung oder besser gesagt: bei der Suche nach den Wurzeln des Ehrenamtes kommt man nicht umhin, sich
bis zu dem Punkt der Geschichte zurückzubegeben, an dem die abendländische Kultur ihre Wurzeln hat. Un dieser Zeitpunkt
läßt sich in der Blüte des Morgenlandes ausmachen.
Die Tradition des Ehrenamtes ist untrennbar
verbunden mit der Entwicklung der Gesellschaft und des Staatswesens, d. h. hier mit der abendländischen Gesellschaft
und dem abendländischen Staat! Heute erhält der Ehre, der etwas Besonderes leistet. Für mich ist "Ehre" aber
vor allem ein Schatz, den wir alle nicht entbehren können! Geht es doch darum, dass die Menschen einander anerkennen,
wertschätzen, "Gewicht beimessen" - und dass jeder sich in der Weltgemeinschaft mit anderen auch entsprechend verhält!
Im Blick auf das Bild vom Menschen treffen jedoch christliche wie muslimische Traditionen in wichtigen Grundelementen
zusammen. Gemeinsam haben sie ein Bild vom Menschen hervorgebracht, für das Individualität und Sozialität,
Freiheit und Verantwortung in gleicher Weise kennzeichnend sind. Die Unbedingheit der Menschenwürde war für mich
immer der eine, die Verbindung von Individualität und Sozialität immer der andere Eckpfeiler eines gemeinsamen
Menschenbilds!
Das "Abendland" hat zu danken!
Die Wurzel des sozialen Engagements und daran gebunden das "Ehrenamt"
ist eng verknüpft mit der abendländischen Tradition. In der gesamten abendländischen
Tradition gehörte der individuelle Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit unverzichtbar zu einem sinnerfüllten Leben!
Walter Scheel als erster Bundesentwicklungsminister in Deutschland hatte diese Tradition einst aufgegriffen
und die Bedeutung des "Ehrenamts" immer wieder herausgehoben! Ich hatte gerade mein Maschinenbaustudium
an der Technischen Universität München (TUM) erfolgreich abgeschlossen. Meine heutige Frau, die deutschstämmige
Berufsschullehrerin Veronika Söllner aus Schwandorf bei Regensburg und ich, hatten uns vor
dem Münchner Standesamt gerade die Ehe versprochen und unser erstes Kind erblickte unter der Sonne Münchens das
Licht der Welt, als der "Liberale" und sodann auch spätere Bundespräsident den alten
"Perikles" mit den Worten zitierte:
"Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, ist kein stiller,
sondern ein schlechter Bürger."
Nicht nur für Perikles als einer der führenden Staatsmänner
Athens und der griechischen Antike, sondern in der gesamten abendländischen Tradition gehörte dieser individuelle
Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit immer schon unverzichtbar zu einem sinnerfüllten Leben!
Schon
in den Stadtgesellschaften der Antike Griechenlands war es Sache jeden männlichen Bürgers, sich für das Gemeinwesen
zu interessieren, sich für dessen Wohl zu engagieren und in den Versammlungen über die Belange der Stadt zu diskutieren!
Wer an solchen Versammlungen nicht teilnahm und sich auch den Angelegenheiten des Gemeinwesens verweigerte, war ein "Idiótes",
also ein Privatmensch! Als Idiótes bezeichnete man damals in der griechischen Antike Personen,
die weder ein öffentliches Amt innehatten noch sich am politischen Leben beteiligten!
Worte aus dem "Morgenland"!
Als junger Mensch voller Tatendrang wollte ich so nicht sein! Andererseits war es angesichts meiner irakischen
Wurzeln auch nicht üblich, Vertreter des Morgenlandes und gleichzeitig Vermittler der griechischen Philosophie
zu sein! Nichtsdestotrotz verdankte das Abendland den Muslimen den "experimentellen Geist",
der den Griechen fremd war!
Diesem "experimentellen Geist" konnte ich freilich
folgen und so hatte ich mich in Bagdad schon früh für ein großes Waisenhaus engagiert: ehrenamtlich
und neben meinen Herausforderungen als Hochschullehrer, irakischer Minister
für Industrie und Vizepremierministerdes Irak bis 2003!
"Morgenland" und "Abendland" - mein west-östliches Leben!
Das Abendland hat mir etwas geschenkt, das alles andere als selbstverständlich und zugleich unendlich
wertvoll ist: meine Frau Veronika. Ich verneige mich vor ihr in großer Dankbarkeit!
Bei vielen Gelegenheiten betone ich immer wieder, wie wichtig mir neben dem bürgerschaftlichen Engagement auch meine
Frau und meine Kinder sind und dass auch meine Kraft, Freundlichkeit und Tatendrang ihre Wurzeln haben!
Eine Wurzel des sozialen Engagements findet sich auch in meiner Familie, denn meine Familie war immer ein Ort
der Migration und Integration und damit eine gute Möglichkeit, seine eigenen Stärken und Kompetenzen einzubringen,
um Vorurteile abzubauen und um dafür zu sorgen, dass das gegenseitige Verständnis wächst.
Aus der
familiären Erfahrung heraus weiß ich auch um die besondere Bedeutung des Ehrenamts für die Gesellschaft, die
Flüchtlings- und Sozialarbeit und die migrationsbezogene Integrationsarbeit, die zu leisten ist, um nicht nur in
die sozial-strukturelle und kognitiv-kulturelle Dimension, sondern auch die seelisch-emotionale Dimension der migrationsbedingten
Integrationsarbeit einzutauchen.
Ich muss oft an die ersten Jahre unserer Ehe denken, wo Licht und Schatten dicht beieinander lagen, als wir beschlossen,
entgegen den Erwartungen meiner Schwiegereltern in Schwandorf, unseren Lebensmittelpunkt von München nach Bagdad
zu verlegen. Dieser Bewährungsprobe schließlich ist mein Respekt geschuldet vor dem Mut der Menschen, die -
aus welchen Gründen auch immer - ihre Heimat verlassen! Diese Bewährungsprobe prägte sich unauslöschlich
ein und ist bis heute Impulsgeber für meine Botschaft, gerade auch mit Blick auf die Krisen dieser Zeit: lassen
Sie uns werben für die gegenseitige Inspiration!
Lassen Sie uns werben für die gegenseitige Inspiration!
Genau dies: "Inspiration" brauchen wir in den Krisen dieser Zeit! Das erleben wir in unseren
Domizilen in Österreichs Hauptstadt Wien wie im bayerischen Schwandorf und in der ehrbaren Kurpfalz!
Deutschland ist die Heimat meiner verehrten Frau, meiner Schwiegereltern, unserer lieben Kinder und unserer Enkelkinder, die
übrigens alle die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und entweder ganz oder zu großen Teilen auch schon immer
in Deutschland leben!
Der Eindruck liegt nahe, dass wir unseren Lebensmittelpunkt als frühe "Kosmopoliten"
definierten zwischen Orient und Okzident!
Und so waren es auch und vor allem unsere Kinder, die ihre Schulferien und oft genug verlängerte Wochenenden
so gerne auch bei Oma und Opa in Schwandorf, also bei meinen Schwiegereltern, verbringen wollten! Für uns bedeutete
das, dass die Kinder Deutschland bei ihren Eltern kurzerhand als Urlaubsland verorteten!
Staatsbankett und Ehrungen des diplomatischen Protokolls!
Offizielle Aufenthalte aus dienstlichen Gründen waren offizielle Besuche, Arbeitsbesuche und Terminbesuche rund
um den Globus oder "Sitzungen der Gemischten Wirtschaftskommission", u.a. in der Bundesrepublik
Deutschland: so in meiner Funktion als irakischer Minister für Industrie und später als Vizepremierminister
des Irak bis 2003. Gerade auch in der Bundesrepublik Deutschland wurde mir die Ehre zuteil, schon früh als
Staatsgast der Deutschen Bundesregierung empfangen worden zu sein! Beginnend bereits in der
Mitte der 1980er Jahre hatte ich stets lukrative Wirtschaftsaufträge im Gepäck, erstmals unter meinem heutigen
Parteifreund und damaligen Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (1984-1988).
Unter dem deutschen Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Martin Bangemann ergab sich nach entlang
vieler bilateraler Gespräche nach und nach eine sehr intensive und fruchtbare Zusammenarbeit, die in der damaligen Bundeshauptstadt
Bonn schließlich zu meiner Berufung als ordentliches Mitglied und für die irakische Seite Vorsitzenden
der "Deutsch-Irakischen Gemischten Wirtschaftskommission" führte. Irak war für Deutschland
schon immer ein wichtiger Partner in der Region des Nahen und Mittleren Ostens. Ähnlich wie heute haben wir auch damals
herausgearbeitet, in welchen Bereichen die beiden Länder Deutschland und Irak intensiver kooperieren können. Wir
sahen damals wie heute unter anderem Potential im Energiesektor, im Umweltbereich, in der Gesundheitswirtschaft, beim
Agrobusiness und bei Infrastrukturprojekten sowie bei der Verbesserung der Investitionsbedingungen.
Die
Ko-Vorsitzenden der Kommission, so der jeweilige Bundesminister für Wirtschaft und der irakische Industrieminister, traffen
sich zu den bilateralen Gesprächen abwechselnd in Deutschland und im Irak. Beide unterzeichnen jeweils gemeinsam
das Protokoll der Sitzung und beginnend mit dem FDP-Politiker und gleichzeitig auch den Worten des verehrten deutschen
Bundesministers für Wirtschaft, Herrn Dr. Martin Bangemann will ich gerne betonen:
"wir wähnten uns stets auf der richtigen Spur!"
Als Ko-Vorsitzender der Kommission zuständig
für die Beratung der deutschen Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft rückte Deutschland so für
viele Jahre in den Mittelpunkt meiner Tätigkeit als irakischer Minister für Industrie sowie später auch
als Vizepremierminister des Irak bis 2003. Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner waren neben den Vertreterinnen
und Vertretern aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Forschung und Wissenschaft sowie Kunst und Kultur vor allem auch die Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Regierungs- und Oppositionsparteien im deutschen Bundestag.
Nach Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (27.06.1984 bis 09.12.1988)
will ich weitere meiner deutschen Amtskollegen nicht unerwähnt lassen:
Wirtschaftsminister Helmut Haussmann, FDP (09. Dezember 1988 bis 18. Januar 1991)
Wirtschaftsminister
Jürgen Möllemann, FDP (18. Januar 1991 bis 21. Januar 1993)
Wirtschaftsminister
Günter Rexrodt, FDP (21. Januar 1993 bis 26. Oktober 1998)
Wirtschaftsminister Werner
Müller, Parteilos (27. Oktober 1998 bis 22. Oktober 2002)
Wirtschaftsminister Wolfgang
Clement, SPD ( 22. Oktober 2002 bis 22. November 2005)
Deutsch-Irakische Gesellschaft, Marburg
Unter der Leitung meines deutschen Freundes und Wegbegleiters Prof. Dr. Walter Sommerfeld vom Centrum
für Nah- und Mittelost-Studien der Philipps-Universität Marburg war ich als ordentliches Mitglied in die Deutsch-Irakische
Gesellschaft an der Universität Marburg berufen worden. Ziel der Deutsch-Irakischen Gesellschaft war die Förderung
der deutsch-irakischen Beziehungen auf den Gebieten auf den Gebieten der Wirtschaft, des Gesundheitswesens,
der Wissenschaften, der Kultur, des Tourismus und im humanitären Bereich. Darüber hinaus stand die Beratung und
Unterstützung für die Mitglieder und Informationen über die aktuellen Entwicklungen im Irak im Mittelpunkt
der Aktivitäten.
Kommen wir zum "hier und heute"!
Die allergrößte Freude bereiten mir heute wie immer schon vor allem meine vier inzwischen erwachsenen
Kinder samt Enkelkindern.
Unser ältestes Kind erblickte übrigens in der bayerischen Hauptstadt
München das Licht der Welt!
In den folgenden Jahren kamen noch drei Brüder hinzu, darunter ein
Adoptivsohn, den meine Frau und ich in den Wirren des ersten Golfkriegs bei uns zuhause aufnahmen.
Mit Blick auf unsere Familie war es trotz allem immer eine wunderbare Zeit, die wir gemeinsam miteinander verbrachten
und noch immer miteinander verbringen dürfen! Natürlich ist die Zeit heute knapper geworden! Auch unsere
Kinder sind heute erwachsen und beruflich sehr erfolgreich! Gleichzeitig wurde die Familie größer,
denn die Familie bereichert heute über ein halbes Duzend Enkelkinder. Doch immer noch gilt für mich der Grundsatz: ich
trete gerne kürzer, wenn es um meine Familie geht, denn Oma und Opa sind eben auch Eltern - heute mehr
denn je!
Die liberale Frage!
Es ist keine Schande hinzufallen, aber es ist eine Schande, einfach liegenzubleiben (Theodor
Heuss). Ich selbst machte diese Erfahrung, denn wer die Laterne trägt, stolpert leichter, als wer
ihr folgt. Manche wollen aber nicht einmal folgen! Ich will es tun! Die Politik hatte
schon einmal einen Teil meines Lebens stark geprägt. Neben
meiner jetzigen Tätigkeit alsPolitikberaterbin ich heute in Deutschland
ordentliches Mitglied der "Freien Demokraten (FDP)"!
Warum ich Liberaler bin?
Warum ich Liberaler bin, hat man mich schon oft gefragt! Meine Antwort: für mich muß Politik vernünftig sein,
problemlösend und verantwortlich! Bereits damals im engen Kontakt mit dem FDP-Politiker
und liberalen Bundeswirtschaftsminister Dr. Martin Bangemann fiel mir auf: verantwortungsethisches
Handeln hatte für ihn stets Vorrang gegenüber gesinnungsethischem Handeln! Das sollte auch mein Kompass
sein, wenn auch für mich in manchmal engeren Grenzen als sonst!
Die "Familie" bildet das Umfeld, in dem wir einen Großteil unseres Forschritts im Leben
machen! In der Familie liebt einer den anderen, man dient einander, belehrt einander und lernt voneinander. Man teilt Freud
und Leid.
Die Beziehungen in der Familie können uns vor große Schwierigkeiten stellen, aber sie verleihen
uns auch Kraft und wir verdanken ihnen auch einige der größten Glücksmomente!
Warum "Familie" so wichtig ist, das hatte ich schon in die Wiege gelegt bekommen! Ehrenamtlich engagierte ich
mich im Irak schon früh als Hochschullehrer und später als Mitglied der Regierung unermüdlich für
ein großes irakisches Waisenhaus, denn dieses Gefühl für Verantwortung haben mir meine Eltern als Teil
meines Wertegerüsts geschenkt. Bis heute wird meine verehrte Frau Mama nicht müde, mich wie in jungen Jahren immer
wieder auch daran zu erinnern:
dass "Familie" vor allem für unsere Kinder das höchste Gut überhaupt ist! Denn eine "Familie"
heißt "Bezugspersonen" zu haben. Sie geben Kindern genau zwei Dinge auf den Weg: Wurzeln und
Flügel! Viele von Ihnen kennen diesen Satz, der dem großen Goethe
zugeschrieben wird! Er ist einerseits widersprüchlich – und gleichzeitig aber auch so wahr! Denn, wenn wir uns
als Erwachsene vor Augen führen, was uns in Krisenzeiten durchhalten lässt, dann ist es genau das: unser Bewusstsein
um unsere eigenen Wurzeln und unsere Fähigkeit, in schwierigen Augenblicken auf uns zu vertrauen! Mut und mentale
Kraft müssen daher die Chance haben, in jedem von uns Menschen zu wachsen. Die Rolle von Bezugspersonen erhält
hier ihre Bedeutung!
Was mich prägt!
Die Zukunft des Irak, die seiner Nachbarländer und die Zukunft überall in der Welt!
Gerade
wenn ich vom Irak spreche, spreche ich vom Irak als das Land, in dem ich geboren bin und das mein Heimatland ist.
Hier ist so vieles absurd geworden! Sie kennen die Nachrichten, die uns Tag für Tag erreichen: es sind, unsere
Kinder, an die ich denke, weil sie trifft das Schicksal im Besonderen:
"Mutter ermordet, Vater verschleppt"! Ein Beispiel unter vielen, aber ein Beispiel, das die vielen Facetten des Ausübens
von Terrorgewalt im Irak deutlich macht! Längst haben wir uns daran gewöhnt: den Tod ihrer Mutter mussten die Kinder
mit ansehen!
Ihr Vater wird an diesem Tag nicht mehr heim kommen! Er, der Vater wurde verschleppt und ist für immer verschwunden!
Kinder verbringen die Nacht an der Seite ihrer toten Mutter. Sie machen sich auf den Weg! Sie machen sich auf einen gefährlichen
Weg vom Irak über die syrische Grenze nach Damaskus. Dort wollen sie ihre Großmutter treffen, die schon vor einigen
Jahren mit ihrem Mann aus dem Irak nach Syrien geflüchtet ist. Es ist womöglich ein Abschied für immer! In
die allerschlimmsten "Nussschalen" gesetzt erreichen sie Europa!
Doch in das Glück, in Deutschland angekommen zu sein, mischen sich Trauer und die Frage:
Die "Welt ist in Unordnung"!
Unsere Welt gerät aus den Fugen und eine Tour rund um den Globus zeigt uns, wie die Welt aus den
Fugen gerät!
Die Weltpolitik gleicht derzeit einem aufziehenden Gewittersturm. Ob in Afrika oder Lateinamerika,
in Arabien oder im Mittleren Osten – überall braut sich Unheilvolles zusammen.
Und auch der Westen
– Europa und die USA –, einst Hort der Stabilität, wird von Krisen heimgesucht wie seit langem nicht.
Terror in Frankreich und jetzt auch bei uns, Schießereien in den USA, Chaos in der Türkei und ein politisches
Beben in Großbritannien!
Gerade die arabischen Länder stehen vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen, insbesondere aus dem Irak
und aus Syrien, mehr denn je im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Dabei machen die arabischen Länder eine
schwere Belastungsprobe durch, denn diese Länder stehen heute noch vor einer gewaltigen Umbruchsituation oder haben sie
bereits erlebt!
Die "Revolution"
zeigt zunehmend Gesicht!
Mein langjähriger Freund und jahrzehntelanger Weggefährte Peter Scholl-Latour beleuchtete
immer wieder die Brennpunkte der aktuellen Weltpolitik und schilderte "eine Welt aus den Fugen":
"der
Abzug der USA aus dem Irak und Afghanistan hinterlässt zerrüttete Staaten, die in Bürgerkriegen versinken.
Der Konflikt um Irans Atompolitik spitzt sich gefährlich zu. Pakistan ist ein Pulverfass. Die arabische Welt befindet
sich in Aufruhr, mit ungewissem Ausgang. Die Zahl der „failed states", Brutstätten des Terrorismus, nimmt beständig
zu, vor allem in Afrika. Zu allem Überfluss stolpern Europa und Amerika von einer Finanzkrise in die nächste und
erweisen sich international zunehmend als handlungsunfähig."
Während ich mich seinerzeit selbst noch mitten im Studium des Maschinenbaus an der bekannten Technischen Universität
München (TUM) befand, formulierte es der damalige Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung so:
„Vertrauen, Wille, klarer Verstand - das sind drei Eigenschaften, die ein Mensch, ein Volk, eine Gemeinschaft
von Völkern selbst haben muss! Die kommen nicht von außen und wenn es daran fehlt, muss man die Gründe bei
sich selber suchen." Walter Scheel wies als erster Bundesminister für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung darauf hin, dass die Menschen lernen sollten, sich weder einem Mann, einem Werk oder
einer Nation völlig zu unterwerfen und erteilte damit auch dem Mythos der Religionen, die solches verlangen, eine klare
Absage. Insofern forderte er bereits in den 1960er Jahren den "Arabischen Frühling" heraus!
Ein „befreiter Irak“ würde einen Dominoeffekt in der ganzen Region auslösen, glaubte
man! Die Wurzeln der gegenwärtigen Krisen in der arabischen Welt reichen insofern bis weit vor den "Arabischen Frühling"
zurück.
Besonders die katastrophale Regierungsführung in einigen arabischen Ländern hat zu
schwerwiegenden sozialen Verwerfungen geführt. Bis in die jüngste Zeit hinein hinderten autoritäre Machtstrukturen
die Bevölkerungen daran, ihren politischen Forderungen Ausdruck zu verleihen. Vor diesem Hintergrund hat die gemeinsame
Geschichte des "Arabischen Frühlings" im Jahr 2011 für alle sichtbar in diesen arabischen
Staaten fast gleichzeitig begonnen. Die Staats- und Regierungschefs konnten sich damals nicht wirklich mit
dem Volk auf eine respektgebietende Liste von Reformen einigen!
Ich nenne einige davon:
Übergang zu einer die Mehrheit der Bürger und die Beteiligung der Bürger legitimierten Regierungsform
Bekämpfung der Armut vielerorts durch eine prosperierende Wirtschaft
als vorrangiges Ziel
Errichtung von direktdemokratischen Elementen auf nationaler
und lokaler kommunaler Ebene
Ermöglichung gemeinsamer demokratischer Abstimmungen
über Staatsfragen
Aufeinander Hören, Miteinander Reden, Gemeinsam
Handeln als Devise, um der steigenden Verantwortung gerecht zu werden, die arabischen Ländern in einer globalisierten
Welt zukommT
Und schließlich als „vornehmstes Ziel" - wie ich es nennen
will - eine nach dem Vorbild der Europäischen Union schaffen, eine „Internationale Arabische Union".
Was ist passiert?
Nicht nur Dank ihrer Bildung waren die Menschen stark und brauchten keine Waffen!
Sie waren stolz und wollten
in einer Demokratie leben.
Der Staat habe in ihre Bildung investiert und nun wollten sie in den Staat investieren,
denn ihre Bildung befähige sie, ihre soziale, kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation nun ein bißchen
auch selbst in die Hand zu nehmen, sagten viele und ich füge hinzu:
um den Sorgen in vielen arabischen Ländern zu begegnen und entschlossen entgegenzuwirken, müssen wir zur Bildung
mehr Zutrauen haben, denn sie ist unverzichtbar für die Wirkkraft der Wirtschaft! Nur die Bildung kann Wirtschaft auf
Dauer wirklich in Gang halten, und wo sie im Gange ist, ihre Leistungskraft erhalten! Bildung ist eine Brücke zum Wohlstand
und nicht damit der Schlüssel zum Frieden!
Ich will nicht in den Meinungsstreit eingreifen, welche „Sozialordnung" dafür die beste Gewähr für
die Menschen ist. Ich weiß nur, dass die Demokratisierung in einigen arabischen Ländern noch viele Jahre dauern
könnte, wenn nicht Jahrzehnte, wenn sie fremdbestimmt ist und Demokratiemodelle einfach kopiert werden sollen! Demokratiemodelle
lassen sich nicht einfach kopieren! Vielmehr müssen sie gesellschaftliche, kulturelle, geschichtliche und religiöse
Eigenheiten berücksichtigen und darauf aufbauend ein demokratisches Profil entwickeln, das sich durch höchste Passung
auszeichnet! Ansonsten wird einer Demokratie in diesen Ländern immer etwas Unwirkliches anhaften! Die Folge ist dann,
dass der Überdruss der Menschen zunimmt und keine Regierung, keine politische Gruppe und kein Einzelner es noch wagt,
für die Prinzipien der demokratischen Staatsform zu werben, sie für die Menschen erfahrbar zu machen und eine pluralistische
Meinungsbildung zu unterstützen.
Läßt man organisches Wachstum dagegen
nicht zu und redet dann noch erstarrten Formen in der Entwicklung der Gesellschaft das Wort, dann könnte man ebenso
gut versuchen, dem Meer Ruhe gebieten!
Mit anderen Worten:
Jeder, der fremdbestimmt
Demokratie will, würde scheitern und das durchgängig von oben nach unten! Ich sage dies bewusst und gerade auch
mit meiner persönlichen Erfahrung als irakischer Politiker. Ich weiß aus eigenem Erleben, wie schwer Demokratie
voranzutreiben ist! Dafür gibt Gründe! Denken Sie nur an das Wohlstandsgefälle in unseren Ländern!
Die Hoffnung nicht aufgebend, möchte ich - und das nicht ohne innere Bewegtheit - mit den Worten Walter
Scheels schließen - und ich möchte hier die Weltgemeinschaft ausdrücklich einschließen: „Der richtige Wahlspruch wird der sein, dass das Urteil kühl bleibt, dass man jeder Gefahr ohne
Furcht ins Auge blickt, dass man sich aber die Stimmung, den Willen und die Entschlusskraft des höchsten Optimismus und
der höchsten Zuversicht erhalten muss."
Die Frage, die mich seit langem bewegt:
Schaffen wir das?
Es geht eine ganz leise Regung der Freude durch mein Herz, dass wir mit den Worten Angela Merkels "Wir schaffen
das!" trotz aller Not und Nöte bald sagen können: wir sehen, wie im arabischen Volk die Anschauungen
über Europa und die Vereinigten Staaten miteinander ringen. Darüber hinwegzukommen - mit oder ohne eigenen Weg -
ist ein rührseliges Bedürfnis aller Betroffenen und Beteiligten - und ich bin trotz allem, was in meinem Land und
den Nachbarländern vorgeht, optimistisch, dass wir es schaffen! Auch wenn ich für meine Person nie allzu viel gehalten
habe von der doktrinären Scheidung zwischen dem Abendland und dem Morgenland:
letztlich wird es nach einer harten Periode das Leben im Morgenland wieder geben und die Weltgemeinschaft wird sich näher
gekommen sein!
Das ermutigt mich auch mit Blick auf die die Menschen, die als Flüchtlinge aufgrund von Krieg,
religiöser, rassischer oder politischer Verfolgung, wirtschaftlicher Not oder anderen Gründen, freiwillig oder unfreiwillig,
ihren bisherigen Lebensort verlassen und hier her nach Europa kommen.
Ich glaube daran, dass uns der Glaube an
eine "Zukunft mit Perspektive" inspirieren wird, Frieden mit uns und der Weltgemeinschaft zu schließen.
Wir sind tief bewegt!
Ich bin tief bewegt über die außerordentliche Freundlichkeit Ihrerseits in einer aufgeschlossenen und freiheitlichen
Gemeinschaft in Europa, insbesondere in Deutschland!
Wir Menschen müssen und werden es lernen, andere
ungeachtet der Religion und der Sprache zu akzeptieren und zu respektieren:
unserer Kinder zuliebe, denn
sie sind die Zukunft und erfrischen unsere Sinne und Herzen!
Wir wissen, dass das Streben nach "Normalität" durch zunehmend grausame barbarische Akte der Gewalt inmitten Europas
und fast überall auf der Welt gegenüber friedlichen und lebensfrohen Menschen beeinträchtigt und gefährdet
ist! Doch der Schmerz darf uns aber das unermessliche Leid, vor dem viele Menschen aus den Kriegs- und Terrorgebieten der
Welt fliehen, nicht vergessen lassen!
Das Wagnis des Helfens!
Lassen Sie uns weiterhin weltoffen und hilfsbereit sein! Die aktuelle Bedrohung darf nicht dazu führen, dass wir die
über Jahrhunderte gerade in Europa entwickelten Werte der Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit aufgeben! Diese
gebühren auch den Fremden, die friedlich bei uns Zuflucht suchen!
Geben wir diese Werte auf, hat der Terror
gewonnen!